Von keiner anderen Straße in Berlin gingen im Hinblick auf eine gemeinsame Nutzung durch die verschiedenen Verkehrsträger derart zahlreiche Impulse aus. Deshalb soll in der folgenden Zusammenstellung noch einmal das Augenmerk auf die Straßennutzung gelegt werden, mit der Unterteilung:

Zu Fuß unterwegs

Noch immer sind zahlreiche Fußgänger unterwegs, z.B. vor der Humboldt-Universität an der Straße Unter den Linden.

Die ersten „Verkehrs“-Regeln richteten sich selbstverständlich an die Fußgänger: „Die Straße Unter den Linden ist die eigentliche Kaiserstraße Berlins. Wenn der Kaiser sich in Berlin aufhält, passiert er diese Straße mindestens einmal täglich… Man grüßt Se. Majestät auf der Straße durch Frontmachen; die Herren in Zivil lüften den Hut, die Damen machen tiefe Verbeugung, die Kinder knicksen.“ „Die Spaziergänger trugen durchweg einen Hut, die Männer den kleinen runden Florentiner Strohhut, wegen seiner Kreisform auch ´Kreissäge´ genannt. Der Mann ging nicht ohne Schlips und Kragen, die Schuhe passend zum Anzug.“ Noch bis 1900 galt es durch Männer festgelegt als unschicklich, wenn Frauen in Hosen oder Hosenrock („Jupe-Culotte“) flanierten und Gaststätten und Hotels verweigerten teilweise den Zutritt. Noch 1927 wurde in der „Vossischen Zeitung“ diskutiert, ob Frauen überhaupt alleine gehen sollten, sie taten es allerdings unabhängig davon. Das Rauchen war allen auf der Straße und in den Cafés verboten. Café Kranzler richtete als erstes ein Rauchzimmer ein, das galt damals als besonders modern.

Nicht nur das standesgemäße Gehen war wichtig, sondern auch die Aufenthaltsfunktion der Straße. Und so gab es überall Sitzbänke. Um 1900 waren auf der Mittelpromenade die zusammen­klappbaren „Aschinger-Stühle“ für fünf Pfennige zu mieten und machten aus der Allee eine Art Kurpromenade. Flexibel aufstellbare oder wenigstens in Gruppen zu positionierte Sitzgelegenheiten gehören heute leider nur sehr selten zum Standard fußgängerfreundlich gestalteter Flächen. 1825 eröffnete der Wiener Zuckerbäcker Johann Georg Kranzler eine kleine Konditorei an der Frie­drichstraße und Kranzler gelang es zum ersten Mal in Berlin, Kaffeehaustische auf die Straße zu stellen. Dies war bis dahin generell verboten.

Zum Flanieren gehören seit jeher auch die Cafes. „Die Kultur der Kaffehäuser, die in Berlin, im Gegensatz zu den Kneipen, nie dauerhaft heimisch wurde und heutzutage wohl endgültig ihr Leben aushaucht, wurde von Wiener und Schweizer Konditoren hierhergebracht. Im Biedermeier kam Kranzler, in den Gründerjahren der noch erfolgreichere Mathias Bauer, und eröffnete 1878, nach dem Umbau eines Wohnhauses, in dem einmal Wilhelm und Caroline von Humboldt gewohnt hatten, [gegenüber dem Kranzler] ein viel größeres, pompöseres und luxuriöseres Café als das Kranzler, mit Marmortischen [… etc.).“

Die Bedeutung für den öffentlichen Verkehr

Die Straße Unter den Linden war durch ihre zentrale Lage schon immer auch bedeutend für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Nachdem durch „feine Herrschaften“ sehr massiv versucht wurde, das erste Transportmittel auch für die „kleinen Leute“ zu verhindern, verkehrten hier ab 1846 die ersten „´Sechser Omnibusse´, die aus einem von zwei Pferden gezogenen Wagen mit zahlreichen Sitzplätzen und einer Plattform mit Stehplätzen bestanden.“ „Die Herren saßen auf dem Oberdeck ganz unter sich. Den Damen war das „Betreten der Stiege und die Benutzung der Decksitze aus `Schicklichkeitsgründen´ verboten.“

Schon seit 1894 kreuzte eine Straßenbahnlinie östlich der heutigen Humboldt-Universität die Straße Unter den Linden und da der Kaiser aus ästhetischen Gründen eine Oberleitung ablehnte, wurde zuerst eine recht störanfällige Unterleitung im Straßenpflaster verlegt und 1916 der sogenannte „Lindentunnel“ gebaut.

Ab 1905 wurden die Pferdeomnibusse mehr und mehr von den Motoromnibussen verdrängt und 1930 fuhren immerhin schon acht Autobuslinien durch die Straße Unter den Linden. 1905 ließ die Allgemeine Berliner Omnibus AG (ABOAG) die beiden ersten motorisierten Omnibusse hier verkehren. 1925 erhielten die Decksitze eine Überdachung und so entstand der Doppeldecker-Omnibus.

Selbstverständlich mussten „die Linden“ auch den Gästen aus aller Welt gezeigt werden und dafür waren um die Jahrhundertwende 1800-1900 „Käse´s Rundfahrten“ die ersten, die Spazierfahrten in der Kutsche anboten.

Impulse für eine Automotorisierung

Hohe Mieten lassen heute kaum noch eine Gewerbemischung zu, hier ein Schaufenster eines Autosalons.

„Der Verkehrslärm, der heutzutage geruhsame Spaziergänge Unter den Linden verhindert, wurde unter anderem dadurch verschuldet, dass man in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts die vorher im verkehrstoten Winkel am Schloss und Lustgarten beginnende Straße durch ihre Verlängerung in östlicher Richtung zur Durchgangsstraße gemacht hatte, zur kürzesten Verbindung zwischen dem Alexanderplatz und Charlottenburg. Vorher hatten die Linden für den von Westen kommenden Verkehr am Lustgarten geendet. Um den Alexanderplatz erreichen zu können, hatte man vor dem Schloss rechts abbiegen und den Weg über die Königs-, die heutige Rathausstraße oder den Mühlendamm nehmen müssen. Nun aber, zu wilhelminischen Zeiten, schlug man durch das mittelalterliche Berlin mit seinen Gassen und Gässchen die breite Schneise der Kaiser-Wilhelm-(heute Karl-Liebknecht-)Straße und öffnete damit, wie man meinte, dem Fortschritt die Tür.“

1901 begann in Berlin der Automobilbau und Unter den Linden wurde 1913 eine erste Niederlassung der Neuen Automobilgesellschaft (NAG, ein AEG-Tochterunternehmen) eingerichtet. Ein Kritiker berichtete damals über den 63-jährigen AEG-Gründer Emil Rathenau: „Rathenau ist auch nicht mehr der alte. Die Klarheit beginnt ihm zu entschwinden. Er schwärmt für das Auto und seine Zukunft, sieht alle Straßen mit Autos bedeckt und die Pferde von den Lastwagen und Pflügen abgespannt. Kurz, er ist konfus geworden.“ „Noch 1902 wetterte Kaiser Wilhelm II.: `Solange ich ein warmes Pferd habe, besteige ich einen solchen Stinkkarren nicht“. Das Automobil war zuerst Luxusgegenstand und Sportwagen, „erst nach 1907 wurden preisgünstige Kleinwagen entwickelt.“ Die weitere Geschichte der Automobilisierung ist bekannt, die Straße Unter den Linden hatte daran mit ihren Automobilsalons und Werkstätten (im Geschäftshaus der Daimler-Motoren wurde 1913 z.B. der erste Lastenfahrstuhl Berlins eingebaut) einen erheblichen Anteil.

Neuartige Verkehrsregelungen

Die Straßenkreuzung Unter den Linden / Friedrichstraße entwickelte sich zum verkehrsreichsten und chaotischsten Knotenpunkt in Berlin. Das betraf nicht nur den Automobil- und Fuhrwerksverkehr, sondern auch das Fußgängeraufkommen. Wegen der Straßenverengung der Friedrichstraße südlich der Straße Unter den Linden (nur 12 m Breite anstatt der sonstigen 22 m) wurde die 1873 zwei Häuser westlich eröffnete 128 Meter lange „Linden Passage“ oder „Kaiser-Passage“ nicht nur als Einkaufszeile konzipiert, sondern auch, um „den Fußgängerverkehr zwischen der Behrenstraße und den Linden von der […] Friedrichstraße abzuleiten.

Die Maßnahme reichte nicht aus und so wurde hier 1902 der erste Verkehrspolizist Preußens aufgestellt, um den Verkehr zu regeln. Wegen des Lärms tauschte er bald seine Trillerpfeife gegen eine Trompete aus. 1911 ordnete der Polizeipräsident von Jagow in der südlichen Friedrichstraße ab der Straße Unter den Linden die erste Einbahnstraße Berlins an. Zu diesem Zeitpunkt musste die Polizei noch massiver „für Ordnung sorgen: Acht Polizisten und ein Offizier traten auf, für jede Fahrspur ein Mann. Ein Pfiff aus der Polizeipfeife bedeutete „Achtung“, zwei Pfiffe „Die Fahrtrichtung ist freigegeben.“

„Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug damals [übrigens] 15 Stundenkilometer.“ „Interessant ist auch, dass man damals auf beiden Fahrdämmen in beiden Richtungen fahren durfte. Der einseitige Richtungsverkehr wurde erst 1927/28 eingeführt.“

Die Straßenbeleuchtung

Dass die Straße Unter den Linden auch eine Beleuchtungs-Geschichte aufzuweisen hat, kann man ihr heute an einigen Stellen nicht mehr ansehen: 1826 wurde sie als erste Straße Berlins mit Gas beleuchtet.“ In dem 1878 eröffneten und über die ganze Nacht geöffneten Café Bauer, und auch das war eine Sensation in Berlin, erstrahlte mit einer von Werner von Siemens erbauten Anlage 1884 erstmals elektrisches Licht in einem Lokal. Ab 1888 wurde die Promenade durch 16 an Kettenzügen hängende Lampen beleuchtet und die elektrischen Bogenlampen im Seitenbereich in Betrieb genommen. 1892 erfolgte die Aufstellung einer ersten Urania-Säule, einem beleuchteten Uhrenturm mit Weltkugel, Wettervorhersagen und Werbung. Im gleichen Jahr erfolgte im Hotel Romé die erste Elektrifizierung eines Hotels ebenfalls in der Straße Unter den Linden. 1935/36 entfernten die Nazis im Zusammenhang mit der Verschmälerung der Mittelpromenade dort die schönen Bogenlampen und ersetzen sie durch Laternen im Biedermeierstil. Dass die Geschmacklosigkeiten noch zu überbieten waren, zeigen die heutigen Stableuchten.

Quellenangaben finden Sie in der PDF-Version im Download-Bereich. Eine Zusammenstellung der hier verwendeten Quellen finden Sie „zum Weiterlesen“ in der Literaturliste.